Dem Fall liegt ein
Sachverhalt (vereinfacht) zu Grunde, der nahezu täglich Realität ist: ein
Darlehen, mit dem eine Immobilie finanziert wurde, kann vom Kunden nicht mehr
bedient werden – die Bank kündigt den Kredit. Neben der dann noch offenen
Darlehenssumme und den Zinsen verlangt die Bank eine oft horrende
Vorfälligkeitsentschädigung. Die Folge ist, dass bei der Verwertung der
Immobilie oft noch eine Restsumme zu Lasten der Kunden / ehemaligen Eigentümer
bleibt, die diese u.U. sogar in die Privatinsolvenz treiben kann.
Der BGH ist der
Ansicht, dass dies nicht zulässig ist, da sich aus den Gesetzesbegründung ergebe,
dass ein „Rückgriff auf den Vertragszins
grundsätzlich ausgeschlossen" sein (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur
Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber wollte damit die Schadensberechnungsmöglichkeiten
einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Zugleich sollte mit der
Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit
gegeben werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu
berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde indes nicht erreicht,
wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine
Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte. Vor allem aber würde bei
Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem
Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff
auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der
Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt. Montag, 25. Januar 2016
Und noch eins auf´s Dach - keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kreditkündigung durch die Bank
Nachdem der BGH in
diesem Jahr bereits geklärt hat, dass die Berücksichtigung von
Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung von
Vorfälligkeitsentschädigungen nicht durch AGB verhindert werden kann, hat er mit Urteil vom 19. Januar 2016 zum
Aktenzeichen XI ZR 103/15 entschieden,
dass in § 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum
10. Juni 2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung
bei notleidenden Krediten enthalten ist, die vom Darlehensgeber infolge
Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die
Vorschrift schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des
Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus.
Die Banken haben immer
eingewendet, damit stehe der vertragsbrüchige
Kunde (der die Raten schlicht nicht mehr zahlt oder zahlen kann) gegenüber dem
vertragstreuen Schuldner (der den Vertrag kündigt, weil z.B. das Objekt wegen
eines berufsbedingten Umzugs und dafür unstreitig Vorfälligkeitsentschädigung
zahlen muss) besser da. Diesem Argument
hat der BGH einen Riegel vorgeschoben : der Gesetzgeber habe dies bewusst in
Kauf genommen, indem er bei Überführung der Vorgängerregelung in das Bürgerliche
Gesetzbuch nicht eingeschränkt oder abgeschafft, sondern sogar noch ausgeweitet
hat.
Kunden, denen Kredite
wegen Zahlungsverzuges / Nichtzahlung der Raten gekündigt wurde und die nach
dem 01.01.2013 Vorfälligkeitsentschädigung zahlen mussten , tun gut daran, die „Abrechnung“ ihrer Bank überprüfen zu
lassen und ggf. die Vorfälligkeitsentschädigung zurück zu fordern.
Dienstag, 19. Januar 2016
Wieder eine "Schlappe" für die Banken - BGH zur Vorfälligkeitsentschädigung
Wenn Kredite vorzeitig
abgelöst werden sollen oder müssen, verlangen Banken
Vorfälligkeitsentschädigung. Dies steht ihnen dem Gesetz nach auch zu (§ 490
Abs. 2 Satz 3 BGB für Immobilienkredite, § 502 BGB für die übrigen Darlehen).
Ärgerlich ist allerdings, dass diese Vorfälligkeitsentschädigungen bei
Immobilienkrediten der Höhe nach nicht begrenzt sind. Selbst wenn die
Berechnungsgrundsätze, die der Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellt hat, korrekt
angewendet werden, sind oft Beträge von mehreren zehntausend Euro fällig.
Sind in den Darlehensverträgen
Sondertilgungsmöglichkeiten vereinbart (meist einmal jährlich 5 oder 10% der
ursprünglichen Darlehenssumme), so ist nach allgemeiner Ansicht, diese
Möglichkeit der Sondertilgung bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
zugunsten des Kunden voll zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der
Frage, ob der Kunde in der Vergangenheit die Möglichkeit zur Sondertilgung
jemals genutzt hat oder aktuell überhaupt die Liquidität hätte, Sondertilgungen
zu erbringen.
Da die Banken ja höchst
findig sind, wenn es darum geht, an das Geld ihrer Kunden zu kommen, ist eine
Sparkasse auf die Idee gekommen, in ihren AGB (hier in formularmäßigen "Besonderen Vereinbarungen") festzuschreiben, dass
Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung
NICHT eingerechnet werden.
Dem hat der BGH mit
seinem heutigen Urteil einen Riegel vorgeschoben: solche Klauseln sind
unwirksam !
Der BGH führt dazu aus:„…………….. Die rechtlich geschützte Zinserwartung wird - unter anderem - durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Mit der Einräumung solcher regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Sondertilgungsrechte gibt der Darlehensgeber von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte auf. Von diesen Grundsätzen der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB weicht die beanstandete Regelung zum Nachteil des Darlehensnehmers ab, indem dessen künftige Sondertilgungsrechte, die die Zinserwartung der Beklagten und damit die Höhe der von ihr im Falle einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beanspruchenden Vorfälligkeitsentschädigung beeinflussen, bei der Berechnung - generell - ausgenommen werden.
Die generelle
Nichtberücksichtigung vereinbarter künftiger Sondertilgungsrechte bei der
Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung führt zu einer von der
Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation der Beklagten. Die Klausel
ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der
abgewichen wird, unvereinbar und benachteiligt die Kunden der Beklagten
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Überkompensation
wird nicht anderweit ausgeglichen oder auch nur abgeschwächt. Die Beklagte
führt auch keine Umstände oder Erschwernisse an, die eine Außerachtlassung
künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der
Vorfälligkeitsentschädigung rechtfertigen könnten."
Wieder eine ordentliche
Schlappe für die Banken!
Sollten Sie in den
Jahren 2013, 2014 oder 2015 Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, sollten
Sie überprüfen lassen, ob vertraglich eingeräumte Sondertilgungsrechte auch
korrekt berücksichtigt wurden. Sollte im Darlehensvertrag nicht festgelegt
sein, wann die Sondertilgung geleistet werden kann (oft wird nur gesagt „einmal
pro Kalenderjahr“), muss sie bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
fiktiv als am 01.01. geleistet einbezogen werden. Allein dies kann erhebliche
Rückzahlungsbeträge zu Ihren Gunsten bedeuten.
Vereinbaren Sie bei
einer Fachanwältin / einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht einen
Beratungstermin – es könnte sich lohnen.
Montag, 18. Januar 2016
#schlafanzugchallenge - was ist das denn ?
Dieses Blog hat ja den
Untertitel „Sinn und Wahnsinn der Juristerei“ – heute will ich darüber
berichten, was ich mir als Anwältin sonst noch für „Wahnsinn“ antue. Und zwar
völlig freiwillig.
Vor sehr langer Zeit –
es ist mehr als zehn Jahre her – lernte ich Leonie und Markus Walter kennen.
Die beiden sind Gesellschafter / Geschäftsführer der Fa. Walter Visuelle PR GmbH. Dieser Kontakt hat sich bis heute erhalten, man steht über die sozialen
Medien im Austausch, auch gegenseitige Besuche in Hamburg und Wiesbaden fanden
statt.
Leonie und Markus sind
echte Marketing-Experten und ich bekam von Ihnen schon den ein oder anderen
Tipp. Letztes Jahr im Januar riefen die Beiden dann die "Schlafanzug-Challenge"
ins Leben. Die Idee dahinter: zwei Wochen kurze Webinare, morgens um 6.45 h.
Leonie und Markus geben im Schlafanzug / Nachthemd gut gelaunt und sehr munter Tipps zu Marketing, Vertrieb und
Pressearbeit. Den Teilnehmern steht es natürlich frei, ob sie dem Ganzen in Nacht- oder
Buinesskleidung folgen – sie sind nicht zu sehen, aber durch eine Chatfunktion
interaktiv dabei. Auch eine geschlossene Facebook-Gruppe gibt es, auf twitter
wird #schlafanzugchallenge genutzt.
Und was hat das jetzt
mit „Wahnsinn“ zu tun ? Nun, diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich
alles andere als eine „Lerche“ bin. Ich bin genau das Gegenteil – eine „Schlafratte“.
Trotzdem habe ich mich in diesem Jahr zur 2. Schlafanzug-Challenge angemeldet. Natürlich ist mir
klar, dass einige der Tipps und Anregungen für eine Anwaltskanzlei (schon aus
berufsrechtlichen Gründen) nicht umsetzbar oder auch nur sinnvoll sind.
Andererseits geben auch diese Dinge jedenfalls Denkanstöße und lassen neue
Ideen für´s Marketing der Kanzlei „aufploppen“.
Ich sitze also nun morgens, bis zum 29.01. an jedem Arbeitstag,
gegen 6.40 h mit kleinen Augen und
viiiiel Kaffee in der Kanzlei (weil ich in meiner Wohnung bewusst keinen
Internetzugang habe) vor dem Rechner und folge trotzdem gebannt den Ausführungen von
Leonie und Markus und dem Chat.
Wenn das nicht Wahnsinn
ist……..;-)
P.S.: man kann sich übrigens noch anmelden - die Teilnahme ist kostenlos!
Mittwoch, 13. Januar 2016
Testament ohne Datum
Im vorherigen Beitrag hatte ich darauf aufmerksam
gemacht, dass ein Datum zur Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments zur
Gültigkeit grundsätzlich nicht erforderlich ist (bei einem notariellem
Testament stellt sich die Problematik nicht). Das Fehlen des Datums oder ein
nicht vollständiges oder nicht lesbares Datum kann jedoch – wie das OLG Schleswig jüngst
entschied - dann zur Unwirksamkeit eines Testamentes führen, wenn es mehrere
Testamente gibt.
Folgender (verkürzter) Sachverhalt lag diesem Urteil
zu Grunde:
Der Erblasse hatte unstreitig bereits mehrere
Testamente (teils handschriftlich, teils notariell) verfasst und wirksam
widerrufen. Nach seinem Tod wurde ein Zettel bei Gericht eingereicht:
"Mein heutige Testament!
Donnerstag 09. (folgende Zahlen kaum leserlich) 09.
D erbt nach meinem Ableben Alle meine Ersparten Gelder
(DM) Sparkasse / Commerzbank Lübeck.
Frau Z verwaltet es.
(Unterschrift des Erblassers)!"
Das OLG stellt fest, dass nicht
von einem gültigen Testament ausgegangen werden kann, weil mangels sicherer
Datierung nicht festgestellt werden kann, ob es zeitlich nach dem wirksamen,
inhaltlich aber entgegenstehenden notariellen Testament vom April 2008 (das war
das jüngste bestehende Testament) errichtet worden ist. Das OLG Schleswig hält
weiter fest, dass die äußere Form des Schriftstücks als „Schmierzettel“ der
Eigenschaft als Testament nicht entgegensteht. Ein Testament könne auch auf
einem „Notizzettel“ errichtet werden. Bei der Verwendung von verkehrsunüblichen
Materialien für ein Testament sei aber der ernstliche Testierwille
besonders zu hinterfragen. Das OLG führt hierzu aus, dass aus dem Schriftstück
deutlich wird, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handeln sollte. Die
Überschrift „Mein Heutige Testament“, der folgende Text und die abschließende
Unterschrift mit vollem Vor- und Nachnamen, legen die Annahme eines
Testierwillens nahe.
Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der
Erblasser angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) er die
letztwillige Verfügung niedergeschrieben hat. Die Zeitangabe stellt damit
kein zwingendes Formerfordernis dar. Falsche Orts- und Zeitangaben führen nicht
schon von sich aus zur Unwirksamkeit des Testaments. Der genaue
Errichtungszeitpunkt ist nur dann von Bedeutung, wenn ab einem bestimmten
Zeitpunkt die Testierfähigkeit des Erblassers nicht mehr vorlag, oder wenn es
beim Vorliegen mehrerer Testamente darauf ankommt, welches das spätere
Testament ist. Ergeben sich danach Zweifel über die Gültigkeit eines
Testaments, ist dieses gemäß § 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB nur dann als gültig
anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der
Errichtung anderweitig treffen lassen, z.B. aus dem sonstigen Inhalt der
Urkunde.
§ 2247 Abs. 5 BGB regelt zwar
ausdrücklich nur den Fall, dass das Testament keine Angaben über den Zeitpunkt
der Errichtung enthält. Die Vorschrift ist aber erweiternd dahin auszulegen,
dass sie auch Anwendung findet, wenn das Testament ungenaue Zeitangaben enthält
und sich hieraus Zweifel über die Gültigkeit ergeben.
Das OLG Schleswig versucht dann noch,
über eine Auslegung zu einer "sicheren" Datierung des Testamentes zu
kommen, was aber nach Ansicht des Gerichts scheitert.
Fazit:
Kann einer vorhandenen Datumsangabe kein eindeutiger
Inhalt beigemessen werden und lässt sich der Zeitpunkt nicht anderweitig
klären, steht das Testament einem nicht datierten gleich. Hieraus ergeben sich
dann Zweifel an der Gültigkeit, weil das nicht datierte Testament zeitlich
früher entstanden sein kann, als ein eindeutig datiertes späteres Testament.
Diese Zweifel gehen zu Lasten desjenigen, der sich auf das undatierte Testament
beruft (hier: D).
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