Montag, 25. Januar 2016

Und noch eins auf´s Dach - keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kreditkündigung durch die Bank

Nachdem der BGH in diesem Jahr bereits geklärt hat, dass die Berücksichtigung von Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen nicht durch AGB verhindert werden kann,  hat er mit Urteil vom 19. Januar 2016 zum Aktenzeichen  XI ZR 103/15 entschieden, dass in  § 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten enthalten ist, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus.

Dem Fall liegt ein Sachverhalt (vereinfacht) zu Grunde, der nahezu täglich Realität ist: ein Darlehen, mit dem eine Immobilie finanziert wurde, kann vom Kunden nicht mehr bedient werden – die Bank kündigt den Kredit. Neben der dann noch offenen Darlehenssumme und den Zinsen verlangt die Bank eine oft horrende Vorfälligkeitsentschädigung. Die Folge ist, dass bei der Verwertung der Immobilie oft noch eine Restsumme zu Lasten der Kunden / ehemaligen Eigentümer bleibt, die diese u.U. sogar in die Privatinsolvenz treiben kann.
Der BGH ist der Ansicht, dass dies nicht zulässig ist, da sich aus den Gesetzesbegründung ergebe, dass  ein „Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen" sein (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber wollte damit die Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Zugleich sollte mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde indes nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte. Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt.

 Die Banken haben immer eingewendet, damit stehe der  vertragsbrüchige Kunde (der die Raten schlicht nicht mehr zahlt oder zahlen kann) gegenüber dem vertragstreuen Schuldner (der den Vertrag kündigt, weil z.B. das Objekt wegen eines berufsbedingten Umzugs und dafür unstreitig Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss) besser da.  Diesem Argument hat der BGH einen Riegel vorgeschoben : der Gesetzgeber habe dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung der Vorgängerregelung in das Bürgerliche Gesetzbuch nicht eingeschränkt oder abgeschafft, sondern sogar noch ausgeweitet hat.
Kunden, denen Kredite wegen Zahlungsverzuges / Nichtzahlung der Raten gekündigt wurde und die nach dem 01.01.2013 Vorfälligkeitsentschädigung zahlen mussten , tun gut daran,  die „Abrechnung“ ihrer Bank überprüfen zu lassen und ggf. die Vorfälligkeitsentschädigung zurück zu fordern.

Dienstag, 19. Januar 2016

Wieder eine "Schlappe" für die Banken - BGH zur Vorfälligkeitsentschädigung


Wenn Kredite vorzeitig abgelöst werden sollen oder müssen, verlangen Banken Vorfälligkeitsentschädigung. Dies steht ihnen dem Gesetz nach auch zu (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB für Immobilienkredite, § 502 BGB für die übrigen Darlehen). Ärgerlich ist allerdings, dass diese Vorfälligkeitsentschädigungen bei Immobilienkrediten der Höhe nach nicht begrenzt sind. Selbst wenn die Berechnungsgrundsätze, die der Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellt hat, korrekt angewendet werden, sind oft Beträge von mehreren zehntausend Euro fällig.
Sind in den Darlehensverträgen Sondertilgungsmöglichkeiten vereinbart (meist einmal jährlich 5 oder 10% der ursprünglichen Darlehenssumme), so ist nach allgemeiner Ansicht, diese Möglichkeit der Sondertilgung bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zugunsten des Kunden voll zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Kunde in der Vergangenheit die Möglichkeit zur Sondertilgung jemals genutzt hat oder aktuell überhaupt die Liquidität hätte, Sondertilgungen zu erbringen.
Da die Banken ja höchst findig sind, wenn es darum geht, an das Geld ihrer Kunden zu kommen, ist eine Sparkasse auf die Idee gekommen, in ihren AGB (hier in formularmäßigen "Besonderen Vereinbarungen") festzuschreiben, dass Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung NICHT eingerechnet werden.

Dem hat der BGH mit seinem heutigen Urteil einen Riegel vorgeschoben: solche Klauseln sind unwirksam !
Der BGH führt dazu aus:
„…………….. Die rechtlich geschützte Zinserwartung wird - unter anderem - durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Mit der Einräumung solcher regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Sondertilgungsrechte gibt der Darlehensgeber von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte auf. Von diesen Grundsätzen der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB weicht die beanstandete Regelung zum Nachteil des Darlehensnehmers ab, indem dessen künftige Sondertilgungsrechte, die die Zinserwartung der Beklagten und damit die Höhe der von ihr im Falle einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beanspruchenden Vorfälligkeitsentschädigung beeinflussen, bei der Berechnung - generell - ausgenommen werden.

Die generelle Nichtberücksichtigung vereinbarter künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung führt zu einer von der Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation der Beklagten. Die Klausel ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Überkompensation wird nicht anderweit ausgeglichen oder auch nur abgeschwächt. Die Beklagte führt auch keine Umstände oder Erschwernisse an, die eine Außerachtlassung künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung rechtfertigen könnten."

Wieder eine ordentliche Schlappe für die Banken!
Sollten Sie in den Jahren 2013, 2014 oder 2015 Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, sollten Sie überprüfen lassen, ob vertraglich eingeräumte Sondertilgungsrechte auch korrekt berücksichtigt wurden. Sollte im Darlehensvertrag nicht festgelegt sein, wann die Sondertilgung geleistet werden kann (oft wird nur gesagt „einmal pro Kalenderjahr“), muss sie bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fiktiv als am 01.01. geleistet einbezogen werden. Allein dies kann erhebliche Rückzahlungsbeträge zu Ihren Gunsten bedeuten.

Vereinbaren Sie bei einer Fachanwältin / einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht einen Beratungstermin – es könnte sich lohnen.

Montag, 18. Januar 2016

#schlafanzugchallenge - was ist das denn ?


Dieses Blog hat ja den Untertitel „Sinn und Wahnsinn der Juristerei“ – heute will ich darüber berichten, was ich mir als Anwältin sonst noch für „Wahnsinn“ antue. Und zwar völlig freiwillig.
Vor sehr langer Zeit – es ist mehr als zehn Jahre her – lernte ich Leonie und Markus Walter kennen. Die beiden sind Gesellschafter / Geschäftsführer der Fa. Walter Visuelle PR GmbH. Dieser Kontakt hat sich bis heute erhalten, man steht über die sozialen Medien im Austausch, auch gegenseitige Besuche in Hamburg und Wiesbaden fanden statt.


Leonie und Markus sind echte Marketing-Experten und ich bekam von Ihnen schon den ein oder anderen Tipp. Letztes Jahr im Januar riefen die Beiden dann die "Schlafanzug-Challenge" ins Leben. Die Idee dahinter: zwei Wochen kurze Webinare, morgens um 6.45 h. Leonie und Markus geben im Schlafanzug / Nachthemd gut gelaunt und sehr munter Tipps zu Marketing, Vertrieb und Pressearbeit. Den Teilnehmern steht es natürlich frei, ob sie dem Ganzen in Nacht- oder Buinesskleidung folgen – sie sind nicht zu sehen, aber durch eine Chatfunktion interaktiv dabei. Auch eine geschlossene Facebook-Gruppe gibt es, auf twitter wird #schlafanzugchallenge genutzt.

Und was hat das jetzt mit „Wahnsinn“ zu tun ? Nun, diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich alles andere als eine „Lerche“ bin. Ich bin genau das Gegenteil – eine „Schlafratte“. Trotzdem habe ich mich in diesem Jahr zur 2. Schlafanzug-Challenge angemeldet. Natürlich ist mir klar, dass einige der Tipps und Anregungen für eine Anwaltskanzlei (schon aus berufsrechtlichen Gründen) nicht umsetzbar oder auch nur sinnvoll sind. Andererseits geben auch diese Dinge jedenfalls Denkanstöße und lassen neue Ideen für´s Marketing der Kanzlei „aufploppen“.

Ich sitze also nun morgens, bis zum 29.01. an jedem Arbeitstag, gegen 6.40 h  mit kleinen Augen und viiiiel Kaffee in der Kanzlei (weil ich in meiner Wohnung bewusst keinen Internetzugang habe) vor dem Rechner und folge trotzdem gebannt den Ausführungen von Leonie und Markus und dem Chat.

Wenn das nicht Wahnsinn ist……..;-)
P.S.: man kann sich übrigens noch anmelden - die Teilnahme ist kostenlos!

Mittwoch, 13. Januar 2016

Testament ohne Datum


Im vorherigen Beitrag hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Datum zur Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments zur Gültigkeit grundsätzlich nicht erforderlich ist (bei einem notariellem Testament stellt sich die Problematik nicht). Das Fehlen des Datums oder ein nicht vollständiges oder nicht lesbares Datum kann jedoch – wie das OLG Schleswig jüngst entschied - dann zur Unwirksamkeit eines Testamentes führen, wenn es mehrere Testamente gibt.

Folgender (verkürzter) Sachverhalt lag diesem Urteil zu Grunde:

Der Erblasse hatte unstreitig bereits mehrere Testamente (teils handschriftlich, teils notariell) verfasst und wirksam widerrufen. Nach seinem Tod wurde ein Zettel bei Gericht eingereicht:

"Mein heutige Testament!

Donnerstag 09. (folgende Zahlen kaum leserlich) 09.

D erbt nach meinem Ableben Alle meine Ersparten Gelder (DM) Sparkasse / Commerzbank Lübeck.

Frau Z verwaltet es.

(Unterschrift des Erblassers)!"

Das OLG stellt fest, dass nicht von einem gültigen Testament ausgegangen werden kann, weil mangels sicherer Datierung nicht festgestellt werden kann, ob es zeitlich nach dem wirksamen, inhaltlich aber entgegenstehenden notariellen Testament vom April 2008 (das war das jüngste bestehende Testament) errichtet worden ist. Das OLG Schleswig hält weiter fest, dass die äußere Form des Schriftstücks als „Schmierzettel“ der Eigenschaft als Testament nicht entgegensteht. Ein Testament könne auch auf einem „Notizzettel“ errichtet werden. Bei der Verwendung von verkehrsunüblichen Materialien für ein Testament sei aber der ernstliche Testierwille besonders zu hinterfragen. Das OLG führt hierzu aus, dass aus dem Schriftstück deutlich wird, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handeln sollte. Die Überschrift „Mein Heutige Testament“, der folgende Text und die abschließende Unterschrift mit vollem Vor- und Nachnamen, legen die Annahme eines Testierwillens nahe.

Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) er die letztwillige Verfügung niedergeschrieben hat. Die Zeitangabe stellt damit kein zwingendes Formerfordernis dar. Falsche Orts- und Zeitangaben führen nicht schon von sich aus zur Unwirksamkeit des Testaments. Der genaue Errichtungszeitpunkt ist nur dann von Bedeutung, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt die Testierfähigkeit des Erblassers nicht mehr vorlag, oder wenn es beim Vorliegen mehrerer Testamente darauf ankommt, welches das spätere Testament ist. Ergeben sich danach Zweifel über die Gültigkeit eines Testaments, ist dieses gemäß § 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen, z.B. aus dem sonstigen Inhalt der Urkunde.

§ 2247 Abs. 5 BGB regelt zwar ausdrücklich nur den Fall, dass das Testament keine Angaben über den Zeitpunkt der Errichtung enthält. Die Vorschrift ist aber erweiternd dahin auszulegen, dass sie auch Anwendung findet, wenn das Testament ungenaue Zeitangaben enthält und sich hieraus Zweifel über die Gültigkeit ergeben.

Das OLG Schleswig versucht dann noch, über eine Auslegung zu einer "sicheren" Datierung des Testamentes zu kommen, was aber nach Ansicht des Gerichts scheitert.

Fazit:

Kann einer vorhandenen Datumsangabe kein eindeutiger Inhalt beigemessen werden und lässt sich der Zeitpunkt nicht anderweitig klären, steht das Testament einem nicht datierten gleich. Hieraus ergeben sich dann Zweifel an der Gültigkeit, weil das nicht datierte Testament zeitlich früher entstanden sein kann, als ein eindeutig datiertes späteres Testament. Diese Zweifel gehen zu Lasten desjenigen, der sich auf das undatierte Testament beruft (hier: D).